Knapp 200 Kilometer südwestlich von Havanna, in der Provinz Pinar del Rio, das "Valle de Vinales". Für viele die schönste Landschaft Kubas, auf jeden Fall die eigentümlichste.
Bizarre Kalksteinkegel, mogotes, ragen aus der Ebene. Die stark bewachsenen Felsen waren einst die Säulen eines gewaltigen Höhlensystems, das sich vor 160 Millionen Jahren ausgeformt hatte. Im Lauf der Jahrtausende stürzten die meisten Höhlen auf Grund der starken Kalksteinverwitterung ein. Heute schlummern die Berge wie träge Riesentiere im Tal. Elefantenrücken nennen die Einheimischen die mogotes auch.
Der etwas verschlafene Ort Vinales hat dem Tal seinen Namen gegeben. Im 19. Jahrhundert brachte ein Einwanderer von den kanarischen Inseln Weinstöcke mit. Er wollte hier einen Weinberg, einen "vina", anlegen. Der Versuch misslang, Wein spielt im fruchtbaren Kuba bis heute keine Rolle.
Das Valle de Vinales ist Bauernland. Neben Mais, Bohnen und den kartoffelähnlichen Malangas wird hier vor allem Tabak angebaut.
Die ersten Bauern kamen um 1700 in das Tal. Sie flohen vor dem Tabakmonopol der spanischen Krone. Von hier aus war es leichter das wertvolle Gut zu schmuggeln.
Die Großfamilien auf den Bauernhöfen müssen ohne fließendes Wasser und Strom auskommen. Ein Leben, so karg wie vor hundert Jahren. Nicht zuletzt deswegen ernannte die Unesco das Naturerbe "Valle de Vinales" auch zum Kulturerbe der Menschheit.
Es soll der beste Tabak der Welt sein, der hier wächst. Im "Valle de Vinales" herrschen ideale klimatische Bedingungen, nicht zu nass und nicht zu trocken. Im Gegensatz zu anderen tropischen Pflanzen benötigt das Nachtschattengewächs Tabak eine fast grenzenlose Zuwendung.
Ein kubanisches Sprichwort sagt, "Tabak kannst du nicht einfach pflanzen, den musst du heiraten."
Schon bei seiner ersten Reise nach Kuba hatte Christopher Kolumbus beobachtet, dass die Einheimischen immer glimmende braune Blätter im Mund hielten. Das "Land der wandelnden Schornsteine" war jedoch für ihn nur eine von vielen kleinen Kuriositäten. Das ganze Land, das er ja für Indien hielt, war für den Europäer Kolumbus ein riesiger Jahrmarkt. Der Priester Bartolomé de las Casas schrieb: "Diese Männer trugen Fackeln, deren Rauch sie wie Weihrauch einsogen." Hernán Cortes ließ die Zigarren verbrennen, weil er sie für sittenlos und unchristlich hielt. Wirklich interessiert waren die Konquistadoren nur an Gold. Erst im 18. Jahrhundert wurde Tabak in Europa zu einem Symbol des Geistes, des Geldes und der Individualität.
Drei Monate, nachdem die Stecklinge - meist im November - gepflanzt worden sind, beginnt die Ernte. Die Blätter werden einzeln abgepflückt und später in Bündeln zum Trocknen an Holzgestelle gehängt.
Eine der wenigen Höhlen im "Valle de Vinales" die man betreten darf ist die Cueva del India. Sie wurde erst 1920 entdeckt. Die etwa einen Kilometer lange Höhle wurde von einem unterirdischen Fluss ausgewaschen. Angeblich war sie das Versteck eines Häuptlingssohns der mit der Tochter eines verfeindeten Häuptlings durchgebrannt war. In dem kleinen Nebental der "zwei Schwestern", dem "Valle de las dos Hermanas", findet man auf einem mogote das Mural de la Prehistoria. Ein 120 Meter hohes und 180 Meter breites Wandbild. Es entstand Anfang der sechziger Jahre nach einer Idee von Célia Sanchez, einer ehemaligen Guerillera und späteren Geliebten Fidel Castros.
Die Evolutionsgeschichte der Menschen als Denkmal der kubanischen Revolution. Leovigildo González Morillo, ein Schüler Diego Riveras, hat es entworfen. Beim Malen wurde Morillo von Arbeitern und Bauern des Tales unterstützt. Alle fünf Jahre müssen die Farben aufgefrischt werden.
Seit dem 18. Jahrhundert werden Zigarren in Fabriken hergestellt. Dort werden die Blätter übrigens nicht wie in Bizets Oper "Carmen" auf den Schenkeln der Frauen gerollt, sondern ganz brav auf Holztischen. Dabei wird den Arbeiterinnen und Arbeitern vorgelesen. Vormittags aus der Tageszeitung und nachmittags aus Romanen. Marken wie "Montecristo" oder "Romeo und Julia" haben ihren Namen aus dieser Tradition. Der Zigarrenfabrikant Partagas war der erste der einen Vorleser engagierte. Die Idee entstammt den Gefängnissen. Dort las man den Sträflingen, meist Analphabeten, vor, um sie zu bessern.
Schwül hängt der süßlich herbe Duft des Tabaks in der trüben Luft. Die rezagas trennen die Zentralrippen aus den einzelnen Blättern, prüfen das Aroma, die Farbe und die Brennbarkeit. Eine "Zentralrippenheraustrennerin" hat ein Tagessoll von tausend Blatt. Eine Zigarre besteht aus drei Teilen. Den Eingeweiden, je nach Qualität, gerollte oder geschnittene Blätter, dem Stabilisierungsblatt und dem Mantel. Die tabaqueras benutzen zur Herstellung drei Instrumente. Die chavetta, ein scharfes Rundmesser, die Guillotine, die der Feuerseite den glatten Schnitt verpasst, und einen Topf mit pflanzlichem, geschmacksneutralem Klebstoff. Mit den besten Blättern wird die Zigarre umwickelt. Die Struktur des Mantels bestimmt die Preiskategorie. Ein tabaquero rollt bis zu 120 Zigarren am Tag. Bevor die Zigarren verpackt werden, nehmen die esogedares, die Qualitätsprüferinnen, noch einmal jede einzelne in Augenschein. Eine echte Havanna ist reine Handarbeit von der Aussaat bis zur Auslieferung sind fast 100 Arbeitsgänge notwendig. Sie werden alle von Hand verrichtet. Deshalb ist die Havanna auch so teuer.
Nach Zucker und seinem Nebenprodukt, dem Rum, sind Zigarren das kubanische Produkt schlechthin. 1999 erwirtschaftete Kuba mit Tabak 150 Millionen US-Dollar.
Das "Valle de Vinales" mit seinen mächtigen Elefantenrücken und seinen Tabakfeldern ist ein Kleinod, einer der wenigen Orte an denen der Mensch noch mit der Natur lebt und nicht gegen sie.
Der Film hierzu
Buch und Regie: Goggo Gensch
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.