Die Warnungen waren eindeutig: "Lass die Finger davon. Ich glaube, wir 
haben mit der Mafia gesprochen", sagte ein enger Mitarbeiter zu 
Unister-Chef Thomas Wagner. Der 38-Jährige machte auf eigene Faust 
weiter.
Der Unistergründer und ehemalige Unternehmenschef
 Thomas Wagner hatte alle Warnungen in den Wind geschlagen. Mehrfach 
rieten ihm enge Mitarbeiter vor dem am Ende verhängnisvollen 
Darlehensgeschäft in Venedig ab. „Thomas, lass die Finger davon, die 
Sache ist suspekt, wir wissen nicht, was das für Leute sind“, redete der
 Aufsichtsratsvorsitzende der Unister-Tochter Capital One AG, Roland S. 
(51), auf ihn ein. Zwei Wochen später tappte Wagner trotzdem in die 
Falle, verlor dabei 1,5 Millionen Euro und stürzte am nächsten Tag mit 
seinem Gesellschafter-Kollegen Oliver Schilling (39), Finanzmakler Heinz
 B. (65) und dem Piloten in Slowenien ab und starb.
Viele
 Details aus der „Akte Unister“ klingen wie aus einem Wirtschaftskrimi 
abgeschrieben. Am Mittwoch kam vor dem Landgericht in Leipzig ein 
weiteres Kapitel dazu.     
Vor der 16. Strafkammer wird gegen Wilfried S. (69) wegen Betrugs verhandelt. Er soll maßgeblich an dem Kreditschwindel beteiligt gewesen sein.
 
    
Codename "Epsilon"
Wagner
 brauchte dringend frisches Geld. Sein Plan: Er wollte einen Teil der 
Reisesparte an die Börse bringen und Einnahmen von mindestens 100 
Millionen Euro generieren. Das Filetstück von Unister sollte in die 
Unternehmenstochter Capital One AG eingebracht und später auf dem 
Düsseldorfer Parkett platziert werden. Bei Unister wurde das Projekt 
unter dem Codenamen „Epsilon“ geführt.
Von
 Banken bekam Wagner kein Geld mehr. Er suchte deshalb nach Investoren 
und ließ dafür auch den Leipziger Immobilienkaufmann Oliver B. (54) 
ansprechen. Er vermittelte einige Kontakte, auch zu Karsten K. (68), 
einem ehemaligen Bankdirektor in Leipzig. „Ich kenne K. seit 20 Jahren“,
 so B., der dem Finanzexperten vertraut. Und Karsten K. engagierte sich.
Nach
 einigem Hin und Her präsentierte K. schließlich eine Möglichkeit. Ein 
Privatmann, es handelte sich um den vermeintlichen Israeli Levy Vass, 
wolle eine Millionensumme bereitstellen. Die Details sollten im Hotel 
Luisenhof in Hannover besprochen werden. Wagner schickte von der Capital
 One den Vorstandsvorsitzenden Marvin A. und dessen Kollegen S. zu dem 
Treffen am 28. Juni vergangenen Jahres nach Niedersachsen. A. und S., 
die am Mitwoch am Landgericht als Zeugen aussagten, sind noch immer 
völlig entsetzt, wenn sie an die Begegnung zurückdenken. Sie trafen im 
Luisenhof auf den Angeklagten S., den Banker K. und den später 
abgestürzten B. Wagner berichten die beiden Manager aus Leipzig noch am 
selben Abend: „Ich glaube, wir haben mit der Mafia gesprochen.“
    
Termin war "a waste of time"
S.
 führte das Wort und erläuterte das Geschäft. Zehn Prozent der 
Darlehenssumme seien vom Kreditnehmer als Sicherheit für eine 
Ausfallversicherung in bar zu übergeben. Im Gegenzug bekomme dieser 25 
Prozent des Kredits ebenfalls in bar, der Rest werde überwiesen. Den 
Namen des Investors und der Versicherung erfuhren sie auch auf Nachfrage
 nicht. Im Gegenteil: Der Angeklagte S. sei pampig geworden. Er mache 
den Deal nicht das erste Mal, müsse direkt mit Wagner sprechen und S. 
sei wohl der falsche Mann, polterte er.
Den
 beiden Leipzigern wurde die Sache damals nach 20 Minuten zu bunt, sie 
standen auf und gingen. Die Visitenkarten ihrer drei Gesprächspartner 
zerrissen sie. Anschließend warnten A. und S. ihren Mitstreiter Wagner 
mehrfach und eindringlich vor dem Trio. Der Termin sei „ a waste of 
time“ gewesen, also reine Zeitverschwendung, schrieben sie ihm.
    
10.000 Schweizer Franken verschwunden
Der
 38-Jährige schlug dennoch alle Warnungen in den Wind, tauschte sich 
weiter mit Banker K. aus und reiste am 13. Juli schließlich nach 
Venedig. Dort verschwand Vass mit Wagners 1,5 Millionen Euro und der 
Unisterchef bekam statt rund vier Millionen lediglich 20.000 Schweizer 
Franken. Der Rest war Falschgeld. Später, am Absturzort in Slowenien, 
fanden die Ermittler 10.000 Schweizer Franken in Wagners Rucksack. Die 
andere Hälfte der Summe ist bis heute verschwunden.
Bleibt
 die Frage, warum sich Wagner auf den Deal einließ? A. und S. können es 
sich noch immer nicht erklären. Wagner sei Experte für den Reisebereich 
gewesen, nicht aber für Finanzen, sagt A. Mit einer so hohen 
Bargeldsumme zu reisen sei völlig unüblich und der Entwurf für den 
Kreditvertrag mit nur fünf Seiten lächerlich gewesen.
Wagner
 war offenbar vom „Projekt Epsilon“ besessen. Am Nachmittag vor dem 
Venedig-Flug sei er bei einer Besprechung mit einem Rucksack 
aufgetaucht, für ihn völlig untypisch, berichtet A. Darin haben sich 
offenbar schon die 1,5 Millionen Euro befunden.
Die
 Nacht vor der Reise verbrachte Wagner mit seiner Lebensgefährtin im 
Leipziger Steigenberger Hotel. Vertreter der Reisebranche, die dort auch
 übernachteten, erinnern sich an ein Gespräch an der Bar. Dabei fiel von
 der Wagner-Seite sinngemäß der Satz: „In vier Wochen wird bei Unister 
alles anders aussehen, wartet es ab.“ Wagner sollte Recht behalten, aber
 nicht so, wie er sich das vorgestellt hatte. Sechs Tage nach der 
abendlichen Runde an der Bar stellte das Unternehmen einen 
Insolvenzantrag.
Der Prozess wird am kommenden Mittwoch fortgesetzt. Dann will der Angeklagte umfangreich aussagen.
Quelle: Leipziger Volkszeitung