Die „Story im Ersten“ zeigte, welche gefährliche Folgen die herrschende
„Geiz-ist-Geil“-Mentalität in der Luftfahrt hat. Vor allem Ryanair
arbeitet demnach am Rande der Legalität.
Für Billigpreise bietet Ryanair Flugsitze an – und scheffelt dennoch
jedes Jahr riesige Gewinne. Die Methoden, mit denen der irische
Billigflieger dabei vorgeht, zeigte gestern die ARD in ihrer „Story im
Ersten“. Was dabei herauskam, gleicht einem Krimi: Ryanair führt demnach
mit einem ausgeklügelten Geschäftsmodell nicht nur eine zuvor
funktionierende Branche in den Ruin, sondern arbeitet mit einem äußerst
verschachtelten Modell aus Personaldienstleistern, Pilotenfirmen und
sogenannten „Betriebsstätten“.
Die Dummen sind dem ARD-Beitrag zufolge nicht nur die Piloten, die
nur dann bezahlt würden, wenn sie wirklich im Cockpit sitzen. Offenbar
zockt der irische Billigflieger auch den Staat und damit die deutschen
Steuerzahler ab, indem er Steuer- und Sozialversicherungsbetrug in
riesigem Ausmaß begeht. Dazu lässt der Film Arbeitsrechtler und
Luftfahrtexperten zu Wort kommen.
Erst kürzlich habe auch die Staatsanwaltschaft Koblenz ein
Ermittlungsverfahren gegen vier Ryanair-Manager eröffnet (wir
berichteten). Und auch in Frankreich und Großbritannien haben der
Reportage zufolge inzwischen Staatsanwälte, Steuerbehörden und
Sozialversicherungsträger das Geschäftsmodell der Iren im Fokus.
Kein Geld bei Krankheit
Dabei geht es um die Frage, auf welche Art viele der vom
Billigflieger eingesetzten Piloten beschäftigt sind. Das System sei
verschachtelt: Piloten müssen sich den ARD-Recherchen zufolge zum Schein
selbstständig machen und ihren Arbeitsvertrag nicht mit Ryanair,
sondern mit Personalvermittlern abschließen und zusätzlich eigene
„Betriebsstätten“ gründen.
Aus Piloten, die in Deutschland wohnen, mache Ryanair freie
irischer Unternehmer. Für diese gelte das deutsche Arbeitsrecht dann
nicht, das heißt, Kosten für Krankenkasse und Sozialabgaben fallen nicht
an. Zu Hunderten seien diese Firmen in Büros „beheimatet“, in denen in
der Realität jedoch nur einige Steuerberater tätig seien.
Und weil bei Krankheit nicht gezahlt werde, sollen sich Piloten
auch dann ins Cockpit setzen, wenn sie eigentlich nicht arbeitsfähig
seien – um weiterhin Lohn zu erhalten. In der ARD-Doku erzählt dies ein
ehemaliger Pilot des Billigfliegers. Kranke Flugkapitäne allerdings
stellten für die Flugsicherheit eine enorme Gefahr dar, sagt dieser.
Wenig Sprit an Bord
Änderte Ryanair bei Gesetzesänderungen ihr Beschäftigungsmodell
bislang immer sehr rasch, erhöht sich der Druck auf die Iren nun. Die
beiden Personalvermittler Brookfield und Mc Ginley Aviation, über welche
die Billig-Airline die Piloten-Verträge abschließen lässt, scheinen
nicht mehr mitspielen zu wollen. Sie haben – zumindest der
ARD-Dokumentation zufolge – erstmals gegenüber der Staatsanwaltschaft
Ryanair der Scheinselbstständigkeit bezichtigt.
Ryanair weist in einer Stellungsnahme alle Aussagen in der Sendung
als falsch zurück. Die Airline sei an den Börsen von Dublin, London und
New York notiert und halte sich an irisches und EU-Recht. Zudem hätten
Piloten die Möglichkeit, ihre Krankheitstage innerhalb von 365 Tagen
nachzuarbeiten. Auch sei man nicht Gegenstand der Ermittlungen der
Staatsanwaltschaft Koblenz.
Alles nur Gewerkschafts-Propaganda?
Eddie Wilson, Chief People Officer bei Ryanair, schreibt: „Dieses
ARD-Programm entbehrt jeder Grundlage und war lediglich ein Mittel für
die gescheiterten Piloten-Gewerkschaften der Lufthansa, um von ihren
ständigen Streiks sowie den Lohn- und Arbeitskürzungen abzulenken.“ Mit
der Staatsanwaltschaft Koblenz werde bei deren Ermittlungen
„zusammengearbeitet“, so Wilson.
Arbeitsrechtler und Steuerexperten kritisieren die
Fluggesellschaft allerdings seit langem. Sie sehen diese knapp an der
Grenze der Legalität agieren. Nicht allein die angeprangerte Ausbeutung
des Personals steht im Fokus. Auch soll Ryanair Piloten anweisen,
möglichst wenig Sprit zu tanken: Die Sendung berichtet über Fälle, in
denen Ryanair-Piloten Notrufe absetzten, weil sie sofort landen mussten.
Auch dies weist der Billigflieger zurück.
Quelle: BizTravel (OG)
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